Und täglich grüsst die Pressekonferenz

By Fräulein Lama

Eines kann man der Schweiz in Sachen Corona – Management zumindest nicht vorwerfen: Dass sie zu wenig Presskonferenzen abhalten würde. Momentan schaffen wir durchschnittlich drei pro Woche: Eine von der Corona – Taskforce des Bundes, eine vom Bundesamt für Gesundheit und eine vom Bundesrat. Zu Spitzenzeiten gesellen sich auch noch die der Experten des Bundes oder kantonale Pressekonferenzen dazu. Würde man sie alle  aufnehmen, könnte man in ein paar Jahren einen Serienmarathon unter dem Thema „Corona – Pressekonferenz“ veranstalten, wenn man gerade in Weltuntergangsstimmung ist.

Jetzt ist es natürlich begrüssenswert, dass sich in diesen schwierigen Zeiten Experten und Verantwortliche an die Bevölkerungen wenden. Wir sehnen uns ja auch nach Informationen und wollen wissen, wie sich die Infektionszahlen entwickeln, welche Massnahmen ergriffen werden und wie es weitergeht. Transparenz wird in der Politik leider oft vernachlässigt, sie ist aber unabdingbar, wenn man das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen will und gerade jetzt sind wir alle auf dieses Vertrauen angewiesen. Ansonsten wird es schwierig, die Massnahmen durchzusetzen.

Trotzdem erweisen sich die vielen Pressekonferenzen zunehmend als Bumerang, weil die Beteiligten es nicht schaffen, einheitliche und klare Botschaften zu senden. Seit die zweite Welle mit Wucht über uns hereingebrochen ist, werden wir Zeuge eines zunehmend aggressiver werdenden Tauziehens zwischen Taskforce und Bundesrat. Während erstere schon lange auf schärfere Massnahmen drängen, unternehmen letztere nur sehr zögerliche Schritte. Und dazwischen steht das BAG, dem die unbequeme Aufgabe zukommt, die Massnahmen des Bundesrates zu vertreten, obwohl sie aus wissenschaftlicher Sicht wahrscheinlich eher der Taskforce zugeneigt sind.

Das Resultat davon ist, dass wir am Dienstag von der Taskforce gewarnt werden, dass die Situation kurz vor der Eskalation steht und dass wir dringend einen Lockdown brauchen, wenn wir den totalen Kontrollverlust verhindern wollen, am Mittwoch dann vom BAG hören, dass die Lage zwar schlimm sei, man sie aber noch knapp im Griff haben, nur um dann am Freitag vom Bundesrat berichtet zu bekommen, dass es in der Tat nicht allzu gut aussehe, man aber erst einmal beobachte und die Kantone konsultiere, O – Ton: Also dramatisch ist es jetzt auch wieder nicht.

Eine solch widersprüchliche Kommunikation ist gleich in mehrerer Hinsicht problematisch. Es ist für uns alle psychisch belastend, dass man zwar ständig betont, wie schlimm die Lage sei, aber trotzdem lange von strengen Massnahmen absah. Das führt entweder dazu, dass man in Panik gerät, weil man sich unzureichend geschützt fühlt oder aber die Lage unterschätzt, weil schliesslich ist der Bundesrat auch erst einmal „nur“ beunruhigt. Beides ist wenig hilfreich, um die Pandemie zu bewältigen.

Noch schlimmer ist allerdings, dass die mündlichen Botschaften an den Pressekonferenzen zum Teil im krassen Gegensatz zu den getroffenen Massnahmen stehen. Einerseits wird uns empfohlen zuhause zu bleiben. Die Skigebiete bleiben aber offen. Vor der Schliessung der Restaurants standen die Gastronomen vor dem Problem, dass sie zwar theoretisch offen bleiben konnten, aber nur eine begrenzte Anzahl an Gästen in einem sehr begrenzten Zeitraum bedienen konnten. Gäste, die streng genommen gar nicht hätten kommen dürfen, weil ihnen ja schliesslich gesagt wurde, dass die Menschenmengen meiden und möglichst wenige Kontakte haben soll. Einkaufszentren gerieten in Kritik, weil sie mit gezielten Aktionen zu viele Menschen anlockten und bekamen von der Politik eins auf dem Deckel, dass sie verantwortungslos handeln würden.

Von der Gastronomie und dem Detailhandel wurde also eigentlich gefordert, sich selbst über Wasser zu halten – aber ohne Gäste oder Kunden. Das ist ungefähr so, als würde man von einer Seiltänzerin verlangen, sie solle dir doch bitte ihre Kunststücke vorführen, aber möglichst ohne Seil. Ist es da ein Wunder, dass sich Frust, Ärger und Angst ausbreiten?

Seit Daniel Kochs Abschied ist auch niemand mehr da, der in irgendeiner Form Hoffnung verbreiten würde. Natürlich hat Koch Fehler gemacht und selbstverständlich ist er kein Halbgott. Aber er hatte die Gabe trotz der Krise, so etwas wie Zuversicht zu verbreiten. Davon sind wir inzwischen meilenweit entfernt. Statt dass uns irgendjemand an die Hand nehmen und uns ein Stück weit durch den Tunnel führen würde, wird alle Verantwortung auf unsere Schultern abgeladen.

Sichtlich frustriert darüber, bei der Politik nur wenig Gehör zu finden, verlegte sich die Taskforce zunehmend darauf, mit dem Aufzeigen von Katastrophenszenarien direkt an die Bevölkerung zu appellieren, als seien wir persönlich dafür verantwortlich, dass der Lockdown noch nicht eingeleitet wurde. Und auch der Bundesrat fabulierte immer etwas von Eigenverantwortung, als handle es sich dabei um ein magisches Schwert, mit dem wir das Virus abwehren können.

Selbstverständlich sind wir alle in dieser Pandemie gefordert und man kann erwarten, dass jede*r selbst Vorsichtsmassnahmen trifft und versucht, die Kontakte zu reduzieren. Und doch die Eigenverantwortung inzwischen eben auch an ihre Grenzen. Zahlreiche Menschen arbeiten in der Pflege, im Verkauf, in Kindertagesstätten, im Bildungsbereich. Sie können nicht mal einfach so selbst entscheiden, dass sie jetzt von zuhause aus arbeiten. Viele von ihnen sind auf den ÖV angewiesen. Und ganz gewiss können sie auch nicht mal eben einfach so keine Menschen mehr treffen, weil ihr Beruf nun einmal Kontakte erfordert.

Nebenbei sollen wir dann natürlich auch noch schauen, dass die Wirtschaft weiterbrummt, indem wir unser Geld ausgeben. Geld, von dem wir zwar teilweise gar nicht mehr so viel haben, weil wir in Kurzarbeit stecken oder gerade gar kein Geld verdienen, was manche von uns in existenzielle Schwierigkeiten stürzt. Auch hier gibt es statt beruhigenden Botschaften, schallende Ohrfeigen. Ueli Maurer verkündete bereits im Herbst, dass wir uns einen Lockdown nicht mehr leisten könnte, womit er das Gewerbe noch mehr in Panik versetzte und den Widerstand gegen die Massnahmen verstärkte.

Es gibt Länder, denen es gelungen ist, das Virus einzudämmen. Eines davon ist Neuseeland. Natürlich hatte Neuseeland als Inselstaat auch die besseren Karten. Aber ein Grund, wieso es die Premierministerin Jacinda Ardern geschafft hat, Corona so erfolgreich die Stirn zu bieten ist, dass sie die Bevölkerung einen konnte. Im Frühling hat die Schweiz das  auch gekonnt. Da hiess es noch: Wir gegen das Virus.

Jetzt im Winter sind wir komplett zerstritten. Und das liegt auch an der mangelhaften Kommunikation. Wenn man keine klaren Botschaften sendet, helfen auch die vielen Pressekonferenzen nichts mehr.

Lama

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