Der seltsame Fall des Christoph Blocher

By Fräulein Lama

Die Nachricht, dass Christoph Blocher sein Ruhegehalt, das ihm als Altbundesrat zusteht, nun doch beziehen will, schlug ein wie eine Bombe. Denn schliesslich hatte Blocher nach seiner Abwahl noch verkündet, dass er auf das Geld verzichten will. Grundtenor: Ich will dem Staat nicht auf der Tische liegen und überhaupt bin ich keiner von diesen faulen Berufspolitikern, die dem Volk das sauer verdiente Geld aus der Tasche ziehen. Offenbar hat er seine Meinung geändert. Dabei könnte der Zeitpunkt für diese Forderung kaum schlechter gewählt sein. Eine Pandemie hält die Schweiz nach wie vor in den Klauen, der Bund musste Milliarden ausgeben, um die Folgen einigermassen aufzufangen und Christoph Blocher hat nichts Besseres zu tun, als seine Rente zu verlangen, die sich zusammengerechnet auf immerhin 2,7 Millionen beläuft.

Dass ist insofern erstaunlich, weil Christoph eigentlich immer ein gutes Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung hatte. Stets verstand er es, sich als „Mann aus dem Volk“ zu inszenieren. Er war der Pfarrerssohn, der es mit harter Arbeit zum Millionär brachte, der hemdsärmelige Polteri mit der brachialen Sprache, der die SVP zur wählerstärksten Partei der Schweiz reformierte, der Bundesrat, der das Etablissement in Bern brüskierte. Christoph Blocher schaffte es stets seiner Lebensgeschichte einen Hauch vom Wilhelm – Tell - Mythos zu verleihen – wobei er natürlich der armbrustschwingende Held ist und das restliche Bundesbern die Rolle des Gesslers übernimmt.

Seine Triaden gegen die Eliten in Bern waren stets überzogen und melodramatisch. Ironischerweise gehört er als millionenschwerer Unternehmer mit Villa im Herrliberg und glänzenden Beziehungen in der Wirtschaftswelt zu genau dieser Elite, die er angeblich so verabscheut. Und trotzdem fielen seine Reden über das gierige Etablissement in Bern stets auf fruchtbaren Boden. Weil – und das darf man nicht vergessen – viele Menschen tatsächlich enttäuscht von der Politik sind und sich von „denen in Bern oben“ unverstanden fühlen. Die hohe Politik ist nicht selten weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Menschen. Was kümmert es die alleinerziehende Mutter, die ihre drei Kinder mit dem schmalen Gehalt einer Putzfrau durchfüttern muss, ob die Schweiz nun Kampfjets kauft oder nicht?

Dazu kommt, dass Politisieren eine abstrakte Arbeit ist, die man nur schwer sichtbar machen kann. Die Arbeit eines Maurers oder einer Köchin ist greifbar. Die Arbeit von Politiker*innen nicht. Das befeuert natürlich den Eindruck, dass Parlamentarier*innen ihr Geld hauptsächlich mit Rumsitzen verdienen. Vor nicht allzu langer Zeit sorgte ein Artikel für Furore. In diesem wurde behauptet, einige Parlamentarier*innen hätten Sitzungsgelder für die wegen Corona abgebrochene Session beziehen wollen. Die Empörung war riesig, bis sich herausstellte, dass es dabei um eine Fehlinformation handelte. Aber die schnelle Bereitschaft der Menschen, diesem Artikel Glauben zu schenken, steht exemplarisch für das Misstrauen, das der politischen Welt entgegengebracht wird. Und es ist nicht unverschuldet. Intransparenz, Intrigen, Lobbyismus – Gerade auf Bundesebene verpasst man es, dem schlechten Image der Politik mit Offenheit und klarer Kommunikation entgegenzutreten.

Ich bezweifle zwar, dass Blocher ernsthaft daran interessiert ist, die Politik zu revolutionieren und aus dem Hinterzimmer zu holen, denn schliesslich spielt er seit Jahren sehr erfolgreich mit bei der ach so verhassten Elite. Aber er hat die Kluft zwischen Bundesbern und Bevölkerung erkannt und ausgenutzt. Deshalb auch der grossmütige Verzicht auf die Rente, nach der Abwahl aus dem Bundesrat. „Seht her, die anderen Bundesräte lassen sich von euch durchfüttern, ich jedoch brauche das nicht.“ Es spielt keine Rolle, dass Blocher sich diesen Verzicht problemlos leisten konnte, die Symbolik zählte.

Dass er die Rente jetzt plötzlich doch ausbezahlt haben möchte, ist deshalb eine seltsame Kehrtwende, fast so, als würde Cédric Wermuth plötzlich ein gut bezahltes Verwaltungsratsmandat  bei der RUAG AG annehmen.

Auch die Begründung ist kaum nachvollziehbar. Blocher liess verlauten, er möchte das Geld, damit die linksgrüne Regierung es nicht zum Fenster rauswerfen könnte. Das passt zwar zu seinem imaginären Kampf gegen die Politelite, wirkt aber gar aus den Fingern gezogen. Denn erstens existiert in der Schweiz keine linksgrüne Regierung und zweitens gibt der Bundesrat das Geld ja nicht für Luxusferien in Dubai aus, sondern für die Bevölkerung. Dass er das Geld spenden will, vermag diesen bitteren Beigeschmack nicht auszulöschen.

Mit seiner Forderung hat Christoph Blocher sogar bei seiner Anhängerschaft an Boden verloren, ausgerechnet er, der bei seiner Basis fast schon Heldenstatus genoss. Hat er sein politisches Gespür verloren? Ist es eine billige und verspätete Retourkutsche für seine Abwahl aus dem Bundesrat, die er nie recht verwunden hat? Oder ist das der definitive Abschied von der politischen Bühne. Man weiss es nicht. Blocher ist und bleibt eben ein wandelnder Widerspruch.

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