Johnson, Churchill und Corona

By Fräulein Lama

Das Coronavirus kennt keinen Standesdünkel. Egal ob Normalsterblicher oder Promi: Es kann jeden erwischen. So hätte es eigentlich auch nicht erstaunen dürfen, dass Boris Johnson, Premierminister von Grossbritannien ebenfalls daran erkrankte. Dennoch ist sein Fall gleich in mehrerer Hinsicht besonders. Denn zum einen gehörte Johnson zu jenen Staatsoberhäuptern, die das Virus nicht nur unterschätzten, sondern auch noch kleinredeten. Er prallte damit, in Krankenhäusern Corona – Infizierten die Hand geschüttelt zu haben (ob er das wirklich getan hat, sei jetzt mal dahin gestellt, möglicherweise war es auch nur Geschwätz, um die Menschen zu beruhigen. Klug war die Aussage so oder so nicht) und zögerte lange, Massnahmen zu ergreifen. Zum anderen ist es in der aktuellen Lage für jeden Staat verheerend, wenn der „Leader“ ausfällt – zumal es in Grossbritannien keine wirkliche Stellvertreterreglung gibt (gut, zur Not hätte die gute alte Lizzy eingreifen können…).

Johnson machte publik, dass er sich das Virus eingefangen hat und seine Regierung begann sogleich Zuversicht zu verströmen. So schlimm sei es nicht, Johnson würde die Geschäfte von zuhause aus weiterführen, hiess es. Spätestens als Johnson  ausgerechnet während der Rede der Queen notfallmässig ins Krankenhaus eingeliefert wurde, dämmerte es den Briten aber, dass der Zustand ihres Premierministers ernster war, als gemeinhin angenommen. Und als er dann auch noch auf die Intensivstation verlegt wurde, bibberte man ernsthaft um das Leben von Boris Johnson. Bis dann die Entwarnung kam. Johnson ist noch nicht völlig genesen, hat aber das Gröbste hinter sich. Zurzeit erholt er sich auf seinen Landsitz.

Politisch gesehen hat die Erkrankung Boris Johnson wohl geholfen. Die Tatsache, dass er selbst Opfer des Virus geworden ist, verschleiert den Umstand, dass er in Bezug auf Corona einiges versäumt hat. Boris Johnson hat mit seiner anfänglich laschen Haltung, im Kampf gegen das Virus wichtige Zeit verloren. Vielleicht hätte er das eine oder andere Leben retten können, wenn er schneller konsequenter gehandelt hätte. Nicht vergessen darf man auch, dass das britische Gesundheitssystem schon lange kämpft und jetzt an seine Grenzen stösst. Natürlich, hier trägt nicht nur Johnson die Verantwortung, auch seine Vorgängerin und Vorgänger haben sich was das betrifft nicht mit Ruhm bekleckert. Denn in den endlosen Streitereien um den Brexit gingen andere, dringende innenpolitische Probleme unter. Das rächt sich jetzt.

Die Tatsache, dass er Corona überstanden hat, macht Boris Johnson fast zu einem Märtyrer und manch einer vergleicht ihn gar mit Winston Churchill, dem grossen englischen Premiermister, der das Land durch den zweiten Weltkrieg geführt hat. Churchill muss als politisches Urtier ja immer wieder für Vergleiche herhalten, in dem Fall hinkt er aber aus mehreren Gründen. Ja, es gibt gewisse Parallelen. Churchill war ebenfalls ein  sturer Mensch und sehr beratungsresistent, wenn er glaubte, das Richtige für sein Land zu tun. Dabei ging er auch nicht gerade zimperlich vor. Eine weitere Parallele ist, dass Churchill seine gesundheitlichen Beschwerden so gut wie möglich vor der Öffentlichkeit und selbst nach mehreren Schlaganfällen, zäh an seine Regierungstätigkeit festhielt, bis er schliesslich zum Rücktritt gedrängt wurde (die Britten hatten übrigens, was die Gesundheit ihres Premierministers nie viel Glück. Auch Churchills Nachfolger, Anthony Eden war zeitweise schwer krank).

Winston Churchills Ruhm begründet jedoch vor allem darauf, dass er Hitler die Stirn bot. Und vor allem darauf, dass Churchill, früher als das restliche Europa begriff, welch grosse Gefahr Adolf Hitler war. Unsere Welt würde heute vielleicht ganz anders aussehen, wäre da nicht der zähe Churchill gewesen, der sich Hitler mit aller Kraft entgegenstemmte. Churchill war ein Mann mit Fehlern und Schwächen, ein Mensch durch und durch. Aber er war und das bescheinigen ihm zahlreiche Historiker – und Historikerrinnen der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ob Johnson in der Coronakrise der richtige Mann am richtigen Ort ist, bezweifle ich.

Es gibt aber noch einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen Churchill und Johnson. Churchill war überzeugter  Europäer. Er glaubte an die Vision eines vereinigten Europas. Boris Johnson dagegen hat die Briten und Europa entzweit. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass der Premierminister, während seiner schweren Krankheit von Jenny aus Neuseeland und Luis aus Portugal gepflegt wurde. Das dürfte Johnsons „Britannien den Briten Theorie“ einen Dämpfer verpasst haben.

Winston Churchill hätte diese Pointe zweifellos zu schätzen gewusst.

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