Das Monster im Weiher Teil 3

By Fräulein Lama

Teil 3

In dem ein Historiker unwissentlich ein Rätsel löst

„Sebastian Baumann? Ja, der Name ist mir durchaus bekannt.“ Timon Hirt, seines Zeichens Stadtchronist von Langenthal blinzelte ihnen über den Rand seiner Brille zu. Sie sassen in seinem Wohnzimmer auf der Couch, umgeben von prall gefüllten Bücherregalen. Zu Basils grosser Erleichterung sah Timon aber davon ab, ihn wie Frau von Auersberg mit Tee abzufüllen.

„Und in welchem Zusammenhang ist er Ihnen bekannt?“, hakte Basil noch.

Doch Timons Aufmerksamkeit gehörte ganz Ekaterina. „Watsislawksi…das ist nun wirklich kein schweizerischer Name. Darf ich Sie nach ihrer Herkunft fragen?“, erkundigte er sich neugierig.

„Ich komme aus Russland“, eröffnete sie ihm.

„Russland? Ein faszinierendes Land! Wissen Sie, dass Moskau…“

Basil räusperte sich vernehmlich. Er war es sich zwar durchaus gewohnt, dass Ekaterina bei Befragungen eher eine ablenkende Wirkung auf Zeugen und Verdächtige hatte, normalerweise lag es aber eher an ihrem anziehenden Äusseren, als an ihren russischen Wurzeln. Er kannte Timon. Wenn er ihn nicht abbremste, würde er bis tief in die Nacht noch über die Zaren der Dynastie Romanows referieren. „Inwiefern ist Ihnen der Name Sebastian Baumann bekannt?“, unterbrach er den Chronisten deshalb rüde.

„Oh, stimmt das war ja die Frage.“ Timon lächelte Basil entschuldigend zu. „Manchmal schweife ich einfach zu leicht ab. Also, Sebastian Baumann gelang der wohl spektakulärste Raub in der Geschichte Langenthals. Er stahl das Vortragskreuz aus der katholischen Kirche. Das muss etwa zehn Jahre her sein.“

„Und das Kreuz war wertvoll?“, erkundigte sich Ekaterina.

„Das Kreuz selber bestand aus schlichtem Material. Aber in das Kreuz eingefasst war ein kostbarer Edelstein. Der Polizei gelang es zwar den Täter, also eben besagten Sebastian Baumann zu überführen. Der Stein ist allerdings bis heue verschwunden.“

Basil musste zugeben, dass der Fall langsam anfing ihn ernstlich zu interessieren. Ein gestohlener Stein und ein gestohlenes Buch, beide verbunden durch denselben Mann, der das eine geklaut und dem das andere gehört hatte. Das konnte kein Zufall sein. „Er hat nie verraten, was er mit dem Stein gemacht hat?“

Timon nickte und rückte seine Brille zurecht. „Vielleicht hätte er es irgendeinmal getan. Wenn er nicht krank geworden wäre. Sebastian Baumann starb an der Jakob – Creutzfeldt Krankheit, das ist eine Erkrankung, bei…“

„…der das Gehirn sich degeneriert. Die Betroffenen leiden unter Demenz und sterben schlussendlich“, fasste Basil automatisch zusammen. Seine Gedanken eilten bereits voraus. Ein Schatzräuber, der vergass wo er seine Beute versteckt hatte. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Was tat man, wenn einem immer mehr die Erinnerung entglitt?

Man begann sich Dinge zu notieren…

Basil stand abrupt auf. „Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen. Leider muss ich jetzt gleich aufbrechen, aber ich lasse Ihnen meine reizende Assistentin hier. Sie liebt es, Geschichten aus Ihrem Heimatland zu hören.“ Und unter den empörten Blicken seiner reizenden Assistentin hastete er hinaus.

***

„Vielen Dank auch!“, fauchte Ekaterina, als sie Stunden später ins Wohnzimmer gestürmt kam, „ich weiss jetzt mehr über Zaren, als ich je wissen wollte!“

„Ein bisschen mehr historische Bildung schadet dir nicht. Und die bekommst du nie kostengünstiger als bei Timon Hirt“, entgegnete Basil, der in seinem Sessel rumfläzte und einen ungemein selbstzufriedenen Eindruck machte. Wie ein Kater, der gerade genüsslich mehrere Mäuse vertilgt hatte und schon auf das nächste Opfer wartete. Ekaterina kannte diesen Gesichtsausdruck. „Was hast du herausgefunden?“, fragte sie ihn seufzend und liess sich in den Sessel gegenüber plumpsen.

Basil beugte sich vor. „Angenommen du hättest einen Schatz versteckt…“

„Hätte ich einen Schatz versteckt, müsste ich bei dir keine Sklavendienste verrichten“, grummelte Ekaterina verstimmt.

Basil überging ihre freche Bemerkung. „Und dann würdest du dich aufgrund einer Erkrankung immer weniger an den Standort erinnern. Was würdest du tun?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Das Schicksal verfluchen?“

„Nein, ernsthaft!“

Ekaterina überlegte kurz. „Ich würde mir, so lange es meine lückenhafte Erinnerung noch zulässt, eine Karte zeichnen.“

„Und wenn du gerade kein leeres Blatt Papier zur Verfügung hast…“

„Würde ich es irgendwohin zeichnen, zum Beispiel auf eine Tischdecke oder…“ Plötzlich dämmerte es ihr, worauf er hinauswollte, „…in ein Buch! Du denkst also, der verstorbene Sebastian Baumann hat eine Schatzkarte in dieses Buch von Frau Auersberg gezeichnet? Und deshalb wurde es gestohlen?“

„Genau das glaube ich. Und ich habe mir überlegt, wer von dieser Schatzkarten wissen könnte. Frau von Auersberg scheidet wohl aus, sonst hätte sie den Schatz gehoben oder uns davon erzählt. Sebastian Baumann hat keine Nachkommen. Wer bleibt also übrig? Doch nur ein Mithäftling.“ Basil war inzwischen aufgesprungen und unterstrich wild gestikulierend seine Ausführungen, wie er es immer tat, wenn er gerade dabei war, seine Theorien auszubreiten. „Ich rief also im Gefängnis an und nach einigen schlagkräftigen Argumenten…“ Bestechung oder Drohungen, ergänzte Ekaterina für sich „….verriet mir der Gefängnisvorsteher, dass Sebastian Baumann seine Zelle tatsächlich geteilt hat. Mit einem gewissen Martin Mahler. Wenn wir also davon ausgehen, dass dieser Martin Mahler mitbekommen hat, dass Sebastian eine Schatzkarte in sein Buch zeichnete, haben wir einen möglichen Täter!“

Ekaterina setzte sich wie von einer Biene gestochen auf. „Moment mal, Mahler…Dieses Dienstmädchen bei Frau von Auersberg heisst Mahler. Leonie Mahler!“

Basil runzelte nachdenklich die Stirn. „Das könnte sich auch um eine blosse Namensgleichheit handeln. Wäre allerdings ein grosser Zufall…Aber einen anderen Gedanken finde ich noch viel interessanter. Weisst du noch, was ich dir über dieses ominöse Monster im Weiher gesagt habe?“

„Dass die Frage nicht ist, ob es das Monster gibt oder nicht, sondern warum uns jemand glauben machen will, dass es das Monster gibt“, erinnerte sich Ekaterina.

„Und ich habe auch gesagt, dass möglicherweise jemand verhindern will, dass der Ort allzu oft besucht wird. Weil dieser jemand vielleicht nicht gestört werden will!“ Basil sah Ekaterina erwartungsvoll an. Und bei Ekaterina machte es Klick.
„Im Haus von Frau von Auersberg habe ich schlammverkrustete Stiefel gesehen. Schuhgrösse 41. Die sind wohl kaum für die zierlichen Füsschen von Frau von Auersberg.“

Sie sahen sich im stummen Einvernehmen an. Dann lächelte Basil triumphierend. „Ekaterina, heute Nacht gehen wir auf Monsterjagd!“

***

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