Das Monster im Weiher: Teil 2

By Fräulein Lama

Teil 2

In dem ein Detektiv Tee trinkt und seine Assistentin eine Entdeckung macht

„Nun, ich muss zugeben, Ihr Erscheinen hat mich doch einigermassen überrascht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass mein Fall Sie sonderlich interessiert.“ Rosalind von Auersberg warf Basil über den Rand ihrer Teetasse einen skeptischen Blick zu. Basils Erscheinungsbild hatte sich komplett gewandelt. Verschwunden war der nachlässig über die Schultern geworfene Morgenmantel. Stattdessen trug er ein rosafarbenes Hemd, ein seidiges Halstuch und eine elegante Hose. Die finstere Miene, die er sonst zur Schau trug, war einem gewinnenden Lächeln gewichen.

„Ach wissen Sie, heute Morgen war ich in desaströser Verfassung. Migräne, Sie verstehen.“ Basil nahm einen Schluck von seinem Tee, einen Schritt den er sofort bereute. Der Tee hatte den Geschmack vom mehrmals gebrauchten Seifenwasser. Mit Mühe und Not brachte Basil ihn runter.

Rosalind von Auersberg wirkte immer noch nicht überzeugt. „Sie waren sehr unhöflich“, stellte sie fest und stellte ihre Tasse mit einem nachdrücklichen Klirren auf den Tisch. „Nun, meine Ausdrucksweise ist in der Tat nicht immer so geschliffen, wie sie sein sollte. Aber wohlmöglich haben Sie da auch was missverstanden, ich pflege manchmal einen etwas gar ironischen Humor.“

„Nun, Sie sagten wortwörtlich Sie hätten keine Lust sich mit einer alten Schabrake rumzuärgern, die sich offenbar nicht mal den Standort ihrer Bücher merken kann!“

Verdammt, die alte Dame war nicht so leicht um den Finger zu wickeln wie gedacht. Und verfügte offenbar über ein hervorragendes Gedächtnis. Was war eigentlich aus den vergesslichen Omis von früher geworden, die jedem Fremden die Wange tätschelten, kiloweise Kekse backten und die glaubten, die ganze Welt sei ein fröhliches Musikantenstadl?

„Es tut mir ausserordentlich leid, mich so ungebührlich verhalten zu haben. Die Schmerzen in meinen Kopf haben mich wohl meine Manieren vergessen lassen. Ich bitte demütig um Verzeihung.“ Er ergriff ihre welke Hand und führte sie an seine Lippen. Sofort wurden ihre strengen grauen Augen weicher.

„Nun ja…jetzt sind Sie ja hier“, meinte sie schliesslich versöhnlich. Basil jubilierte innerlich und gratulierte sich im Stillen für seine Fähigkeit im richtigen Moment, die richtige Dosis Charme zu versprühen. „Genau. Ich bin hier, um ein verschollenes Buch aufzutreiben. Dafür müsste ich aber erst wissen, um welches Buch es sich handelt.“

Frau von Auersberg lehnte sich in ihren Sessel zurück. „Nun, ich muss gestehen, bei dem gestohlenen Buch handelt es sich keineswegs um eine Kostbarkeit. Zumindest ist es nicht nach materiellen Massstäben kostbar. Aber es ist mir persönlich sehr wichtig und ich musste damals einiges aufwenden, um es in die Finger zu bekommen. Umso ärgerlicher ist es, dass mir das Buch wieder abhandengekommen ist. Das Buch wurde von meinem Vater geschrieben. Er fühlte sich zum Dichter berufen. Die übliche traurige Geschichte: Fabrikantensohn aus reichem Haus, der viel lieber Künstler wäre.“ Sie schüttelte den Kopf über so viel weltfremde Dummheit. Dann drehte sie sich zu ihrem Dienstmädchen rum, das gerade dabei war, die Fenster zu putzen. „Leonie? Holst du mir bitte meine Fotoalben aus dem Schlafzimmer?“ Leonie nickte und huschte aus der Tür. Basil nutzte die Unaufmerksamkeit seiner Gastgeberin um seinen Tee blitzschnell in den Hibiskus zu schütten.

Rosalind wandte sich wieder ihm zu. „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, mein Vater der verhinderte Dichter…Mit dreissig schrieb er sein einziges Werk. War furchtbar stolz darauf, obwohl es nur in einer seiner kleinen Auflage gedruckt wurde. Und diese kleine Auflage verschenkte er vollständig. Er selbst behielt kein einziges Buch. Vor ein paar Jahren setzte ich deshalb alle Hebel in Bewegung, um noch ein Exemplar aufzutreiben. Und es gelang mir auch tatsächlich eines zu finden. In der Gefängnisbibliothek vom Thorberg, der ich es dann abkaufte.“

„Wissen Sie, in wessen Besitz das Buch vorher war?“

„Oh ja. Es gehörte einem verstorbenen Häftling, . Weil er keine direkten Erben hatte, ging das Buch an die Gefängnisbibliothek.“

„Kennen Sie den Namen des Häftlings?“

Frau von Auersberg hob die Schultern. „Auf dem Vorsatzblatt stand mit Bleistift der Name ‚Sebastian Baumann‘. Aber ich weiss natürlich nicht, ob das sein Name oder der Name des Vorbesitzers ist. Das Buch ist vermutlich durch mehrere Hände gegangen.“

Sebastian Baumann…Der Name rührte etwas in Basils Gedächtnis. Irgendwas war mit einem Sebastian Baumann gewesen… Doch, er war sich sicher den Namen schon einmal in einer Zeitung gelesen zu haben, aber er kam nicht mehr drauf, in welchen Zusammenhang… Bevor er in Ruhe diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, kam Leonie mit mehreren, dicken Bänden zurück, die sie mit Schwung auf den Tisch knallte. „Ihre Fotoalben, Frau von Auersberg.

Deren Augen leuchteten begeistert auf. „Danke, Leonie! Wunderbar, dann kann ich Ihnen gleich ein paar Fotos von meinem lieben Herr Papa zeigen. Oh, aber was sehe ich da? Ihre Tasse ist ja schon wieder leer. Leonie, schenk Herr Rattenbohne doch Tee nach, bitteschön…“

***

Während sich Basil notgedrungen verblichene Fotos ansah und dabei literweise ekelhaften Tee runterwürgte, stieg Ekaterina durch das offene Badezimmerfenster in die ehrwürdige Auersbergvilla ein. Da sie und Basil schon relativ früh hatten feststellen müssen, dass ihre Auftraggeber nie so ganz ehrlich waren, wenn es um die Schilderung des Tathergangs, ihrer Lebensumstände oder um mögliche Tatverdächtige ging, waren sie schon lange dazu übergegangen, sich die Informationen auf inoffiziellen Wegen zu beschaffen und Ekaterina gelang es als ehemalige Zirkusartistin meist spielend, ungesehen in die Häuser reinzukommen.

Zum Glück hatte Frau von Auersberg ausser dem Dienstmädchen kaum Personal, so dass Ekaterina in aller Ruhe das Haus durchsuchen konnte. Sie ging systematisch vor, wühlte schamlos in Schränken und Schubladen, achtete aber sorgfältig darauf, nichts durcheinanderzubringen. Das Ergebnis war allerdings enttäuschend. Die bahnbrechendste Entdeckung waren die knappen Seidentangas in der Nachttischschublade von Frau Auersberg und die Peitsche, die die Dame aus welchen Gründen auch immer, unter dem Kopfkissen aufbewahrte. Das Zimmer des Dienstmädchens war weniger vollgestopft, als das der gnädigen Frau, aber genauso uninteressant. Ein Ausweis im Portemonnaie verriet ihr immerhin den Namen der jungen Frau: Leonie Mahler.

Am Ende filzte sie noch den Schuhschrank. Ordentlich aufgereiht stand da eine Arme von Stöckelschuhen in verschiedenen Farben…und wie ein Bauer unter Königen, ein Paar schlammverkrustete Gummistiefel. Neugierig griff Ekaterina danach und drehte sie um. Schuhgrösse 41.

„Vielen Dank, aber es ist jetzt wirklich Zeit zu gehen“, hörte sie Basils Stimme durch das Haus hallen. Hastig stellte sie die Stiefel zurück, eilte zum Badezimmerfenster und schwang sich hinaus, so geschickt und schnell wie ein Kletteraffe.

***

„Sagt dir der Name Sebastian Baumann etwas?“, fragte Basil später, als sie mit dem Fahrrad den Hügel runtersausten. Das in die Pedale treten überliess Basil grossmütig Ekaterina, er selbst sass bequem auf dem Gepäckträger (Chauffeurdienste standen ebenfalls in Ekaterinas Pflichtenheft. Da sie aber Auto fuhr wie ein besoffener Kutschenfahrer in Wien, hatten sie sich auf diese Form der Fortbewegung geeinigt).

„Nein. Sollte es?“

„Das war der Vorbesitzer des Buches. Und ich bin überzeugt, dass ich diesen Namen schon mal in einem grösseren Zusammenhang gehört bzw. gelesen habe.“

„Und was willst du jetzt machen? Googeln?“ Ekaterina klang spöttisch. Sie wusste das Basil kaum etwas mehr verabscheute, als das Internet oder andere technische Kommunikationsmittel. Alles was zeitlich gesehen nach dem Festnetztelefon gekommen war, hielt er für Teufelszeug.

„Besser. Wir besuchen den Mann, der sogar mehr über den Oberaargau weiss, als Doodle!“

„Google“, verbesserte Ekaterina automatisch.

„Wie wär’s, wenn du schneller fährst und mich weniger korrigierst?“, fuhr er sie an.

„Ganz wie mein Herr und Meister befiehlt…“

***

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