Das Monster im Weiher: Teil 1

Ein Detektiv langweilt sich und misshandelt Bücher

By Fräulein Lama

Der rasende Oberaargauer:

Nessie im Oberaargau?

 

Was für Ängste sie ausgestanden haben muss, kann man nur erahnen: Sabina Hofer (25) erlebte auf ihrem nächtlichen Spaziergang einen Alptraum. Sie und ihr Hund Frodo wurden beinahe Opfer eines Seemonsters, das sich offenbar im lauschigen Sängeliweiher niedergelassen hat. „Es war grauenhaft. Es hatte Reiszähne so lange wie mein Unterarm. Aber am Schlimmsten waren die Augen. Es waren die Augen der Hölle“, berichtet die junge Frau, die über das Erlebte kaum sprechen kann, ohne in Tränen auszubrechen. „Ich dachte, ich müsste sterben!“

Sabina Hofer war am Dienstagmorgen, dem 6.Juli von morgendlichen Joggern bewusstlos aufgefunden worden. Warum das Seemonster sie nicht verschlungen hat, darauf kann sie sich auch keinen Reim machen. „Das Letzte woran ich mich erinnere ist dieses weit aufgerissene Maul.“ Sie vermutet aber, dass ihr tapferer Hund sie während ihrer Ohnmacht verteidigt hat. „Er ist ein Held!“

Trotz dieses grauenhaften Vorfalls haben die Behörden noch keine Schritte unternommen, um die Bevölkerung vor diesem Monster zu schützen. Auf Anfrage dieser Zeitung liess der Langenthaler Stadtpräsident Renato Meyer nur verlauten, der Weiher gehöre geografisch gesehen zu Thunstetten und falle damit nicht in seine Zuständigkeit. Aber auch der Gemeindepräsident von Thunstetten will zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Massnahmen treffen, um dem Monster den Garaus zu machen. „Wahrscheinlich handelt es sich um einen geschmacklosen Scherz“, lässt er sich zitieren.

Für Sabina ist das unverständlich. „Bitte, geht nicht mehr an diesen Weiher“, appelliert sie an die Bevölkerung, „dieses Monster will Blut sehen!“

Es berichtete für Sie

Denise Kessler

Der rasende Oberaargauer:

Das Monster schlägt zu!

Noch vor ein paar Tagen hielten die Behörden es für Hirngespinste oder einen Scherz. Jetzt ist es bitterer Ernst geworden. Das Monster im Sängeliweiher hat sein erstes Opfer gefordert. Gestern Morgen fanden Spaziergänger am Ufer des Sängeliweihers ein totes Eichhörnchen. In Stücke gerissen. Augenzeugen berichten von einem regelrechten Blutbad.

Für viele Oberaargauer – und Oberaargauerinnen ist klar: Das Monster hat zugeschlagen. „Es ist ungeheuerlich, dass unsere Behörden den Weiher noch nicht gesperrt haben“, ärgert sich Jannik Ingmarsen, der in Langenthal wohnt und zwecks Vogelbeobachtung öfters den Weiher aufsucht, „hier wird mit Menschenleben gespielt!“

Von offizieller Seite aus, wird jedoch immer noch beschwichtigt. „Es gibt durchaus plausible Erklärungen dafür, wie dieses Eichhörnchen getötet wurde und keine davon beinhaltet das Szenario eines blutrünstigen Seemonster“, vermelden Langenthal und Thunstetten in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Trotzdem geht die Angst um im Oberaargau und alle stellen sich die bange Frage: Wie lange dauert es, bis das Monster sich einen von uns holt.

Es berichtete für Sie

Denise Kessler

                                                                                                          ***

 

Rosalind von Auersberg gehörte zu jenen Damen, die selbst in dieser mörderischen Hitze noch elegant und gepflegt wirkten. Der breitkrempige weisse Sommerhut, das frische geblümte Sommerkleid, die im Nacken zu einem Knoten verschlungenen Haare: Sie sah aus, als wäre sie gerade aus einem Jane – Austen Roman entstiegen. Ihre sturmumwölkte Miene passte allerdings gar nicht zu ihrer heiteren Erscheinung. „Ihr Chef ist ein impertinenter Laffe“, eröffnete sie Ekaterina unwirsch.

„Also, so hat ihn noch nie jemand genannt. Normalerweise bevorzugen unsere Klienten Formulierungen wie ‚blödes Arschloch‘. Mein persönlicher Favorit ist allerdings, impotenter Pisser‘“, erwiderte Ekaterina gelassen und stand auf, um Frau von Auersbach die Tür aufzuhalten.

Rosalind schnaubte abfällig. „Solche Wörter nehme ich nicht in den Mund, Fräulein. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.“ Mit einer elegant fliessenden Handbewegung setzte sie sich ihre riesige Sonnenbrille auf und stürmte aus der Wohnung. Ekaterina lauschte ihren klackernden Schritten, bevor sie die Tür wieder ins Schloss fallen liess. Wieder eine Klientin vergrault. Es wurde wieder einmal Zeit ihren impertinenten und impotenten Chef ins Gewissen zu reden.

Als sie das Arbeitszimmer betrat, kam ihr gleich ein Buch entgegen geflogen. Ihre schnellen Instinkte retteten sie. Mit einem Satz sprang sie zur Seite und das Buch traf stattdessen eine ausnehmend hässliche – aber ziemlich teure – Vase, die in tausend Scherben zersprang. Das zweite Buch das durch die Luft segelte, prallte gegen eine Büste von Julius Cäsar, die bedrohlich wackelte, aber auf wundersame Weise stehen blieb. Grosse Männer fielen offenbar auch dann nicht, wenn sie aus Gips gegossen waren.

Basil Rattenbohne, der sich selbst gerne als den klügsten aller Detektive bezeichnete, stand in seinen golddurchwirkten Morgenmantel gehüllt am Bücherregal und räumte es aus, indem er Werk um Werk herauszog und achtlos nach hinten schmiss. Dabei pfiff er die die Ouvertüre vom Phantom der Oper vor sich hin und das so laut, dass er Ekaterina Hereinkommen gar nicht bemerkt hatte und auch ihre Rufe nicht hörte. Entnervt griff sie schliesslich nach einem der herumliegenden Büchern und warf es ihm an den Kopf. Das funktionierte.

Wutentbrannt wirbelte er herum. „Was zum Teufel…Ach, du bist, Ekaterina. Dann sollte ich wohl froh sein, dass du kein Messer nach mir geworfen hast“, grummelte er. Basil Rattenbohne war nicht unbedingt das, was man gutaussehend nennen konnte. Dafür war er zu mager und sein Hals zu lang. Seine Arme und Beine waren dünn wie Streichhölzer und seine Nase lang und krumm, wie die eines Raubvogels. Doch die hohen Wangenknochen in Kombination mit den dunklen Augen hatten durchaus was Anziehendes und wenn sich die schmalen aber schön geschwungenen Lippen zu einem seltenen Lächeln verzogen, konnte man sich dem Charme dieses Mannes nicht mehr entziehen.

„Tote Kühe lassen sich eben schlecht melken“, erwiderte Ekaterina ungerührt, „Darf ich fragen, was du da treibst? Trainierst du für den nächsten Buchwerfmarathon?“

Basil wedelte unbestimmt mit der Hand. „Ach, diese komische Schrulle von vorhin hat irgendwas von einem gestohlenen Buch gefaselt. Und da kam mir die Idee, dass ich mein Bücherregal wieder mal aufräumen und neu sortieren könnte.“ Er zog das nächste Buch hervor, studierte kurz den Titel und warf es dann achtlos durch das geöffnete Fenster. „Unglaublich, wie viel Mist sich angesammelt hat.“

Ekaterina liess sich im Schneidersitz auf den Boden sinken. Körperliche Ertüchtigung war genau das Richtige, wenn man versuchte mit Basil Rattenbohne ein halbwegs vernünftiges Gespräch zu führen. „Kann es sein, dass du Frau von Auersberg nicht einmal richtig zugehört hast?“

„Ich habe ihr lange genug zugehört um zu wissen, dass ihr Fall ausserordentlich langweilig und uninteressant ist“, meinte Basil zerstreut und blätterte in einem der Bücher. Dann warf er ihr einen scharfen Blick zu. „Und bevor du mir wieder deinem ,man – kann – sich – seine – Aufträge – eben – nicht – aussuchen – Vortrag kommst, bitte ich dich zu beachten, dass ich mehr bin als nur ein Detektiv. Ich bin ein Künstler! Und als solcher suche ich mir meine Motive eben selber aus. Leonardo da Vinci hat schliesslich auch Mona Lisa gemalt und nicht irgendeine geblümte Tischdecke!“

Ekaterina streckte ihr linkes Bein aus und drückte es durch. In letzter Zeit war sie etwas steif geworden. Kein Wunder, wenn Basil jeden Auftrag ablehnte, kam sie ebenfalls nicht zum Einsatz. „Du weisst aber schon das Leonardo da Vinci sehr viele seiner berühmten Werke im Auftrag gemalt hat oder?“, fragte sie beiläufig. Basil schnaubte abschätzig, wohl um anzuzeigen, dass das Genie von Leonardo da Vinci dem Seinen bei weitem nicht das Wasser reichen konnte, sagte aber nichts. Ekaterina nutzte seine ungewohnte Schweigsamkeit, um sich weiter vorzutasten. „Du denkst also du könntest den Fall von Frau Auersberg lösen?“

Basil warf dramatisch die Arme in die Luft. „Ich kann jeden Fall lösen, Ekaterina! Wie oft soll ich dir das noch sagen? Nehmen wir zum Beispiel diesen lächerlichen Fall hier…“ Basil eilte zu seinem mit Papieren übersäten Schreibtisch und zog eine arg in Mitleidenschaft gezogene Zeitung hervor. „Dieses angebliche Monster im Sängeli – Weiher. Die Frage ist noch ob dieses Monster nun existiert oder nicht, die Frage ist, warum uns jemand glauben machen will, dass dieses Monster existiert. Dafür gibt es aus meiner Sicht verschiedene Gründe. Entweder es handelt sich um eine Art Marketing – Gag, um mehr Touristen anzulocken oder aber jemand möchte nicht, dass der Weiher allzu oft frequentiert wird. Beim letzteren Szenario könnten verrückte Tierschützer dahinterstecken, aber um den genauen Täter zu ermitteln, müsste ich…“

„Wow, ich bin beeindruckt“, unterbrach Ekaterina seinen Redeschwall. Betont langsam streckte sie auch noch das zweite Bein aus, so dass sie im Spagat landete. „Aber auch ein bisschen erstaunt. Du bist also in der Lage aus dem Stegreif den Fall um das mysteriöse Seemonster zu lösen, aber ein verschwundenes Buch aufzutreiben, übersteigt deine Fähigkeiten?“

„Moment! Es war nie die Rede davon, dass ich nicht in der Lage wäre dieses Buch aufzutreiben! Im Gegenteil, es zu finden würde meine Fähigkeiten nicht überfordern, sondern unterfordern. Mein Verstand ist wie ein Messer, er muss regelmässig geschärft werden, sonst stumpft er ab. Und wenn ich mich mit langweiligen Fällen beschäftigen muss, stumpft er noch viel schneller ab!“

Ekaterina hob betont gleichmütig die Schultern. „Kennst du die Fabel vom Fuchs, der nicht an die Trauben kommt und deshalb einfach behauptet, sie seien zu sauer?“

In Basils Augen glomm ein gefährlicher Funke auf. Ekaterina wusste, entweder würde er jetzt unter theatralischen Türenschlagen aus der Wohnung stürmen und mindestens drei Wochen nicht mehr mit ihr reden oder aber…. „Na schön, ich beweis es dir. Ich finde dieses verdammte Buch!“

Ekaterina senkte den Kopf, um ihr triumphierendes Lächeln zu verbergen.

Bild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
CAPTCHA
5 + 8 =
Bitte diese einfache mathematische Aufgabe lösen und das Ergebnis eingeben. Zum Beispiel, für die Aufgabe 1+3 eine 4 eingeben.
Diese Frage dient dazu, sicherzustellen, dass das Formular von einem Menschen und nicht durch einen automatischen Spamvskript ausgefüllt wird.