Die SVP und ihre Forderungen

Vor zwei Wochen hiess es noch:  Zuhause bleiben! Jetzt klingt es schon wieder anders. Zumindest aus dem Mund einer Partei.

By Fräulein Lama

Die SVP prescht vor – wieder einmal. Früher als die anderen Parteien kehren sie zurück aus dem politischen Exil. Noch vor zwei Wochen stellten sich die Parlamentarier geschlossen hinter den Bundesrat und sahen davon ab, ihn zu kritisieren. Zu schlimm war die Krise, als dass man der Exekutive noch Knüppel zwischen die Beine werfen wollte. Ungewöhnlich, gerade für die schweizerische Volkspartei, die den Behörden generell ein gewisses Misstrauen entgegenbringt und nur zu gerne gegen die politische Elite ins Feld zieht. Von daher ist es eigentlich wenig erstaunlich, dass die Partei sich jetzt mit einem wuchtigen Votum zurückmeldet. Ihre Forderung: Die strikten Massnahmen zur Eindämmung des Virus müssen gelockert werden. Ansonsten seien wirtschaftlichen Schäden wohlmöglich irreparabel.

Die SVP schlägt vor, dass Angehörige einer Risikogruppe sich selbst isolieren sollen. Menschen, die hingegen kein besonderes Risiko haben, sollen wieder arbeiten dürfen. Um die Bevölkerung zu schützen, soll eine Maskentragepflicht eingeführt werden. Und der verstärkte Grenzschutz soll aufrechterhalten werden.

Für die SVP sind das typische Forderungen, denn sie ist eine sehr wirtschaftsfreundliche Partei. Dass ihnen die aktuelle Situation nicht behagt, ist daher logisch. Die Idee, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, indem man die Menschen einfach mit dem entsprechenden Schutzmaterial ausrüstet, liegt aus ihrer Sicht nahe. Und sie hat ja auch durchaus was Verführerisches. Wir kriegen unser normales Leben zurück, wenn wir einfach mit Masken rumrennen? Klingt doch super!

Aber der tatsächliche Nutzen von Masken ist umstritten. Fest steht, dass bereits Infizierte das Virus schlechter weitergeben können, wenn sie eine Maske tragen. Und bei einer allgemeinen Maskentragepflicht würden eben automatisch alle Infizierten eine tragen – unabhängig davon, ob sie jetzt Symptome haben oder nicht. Allerdings muss man dazu auch wissen, dass die Masken regelmässig gewechselt werden. Ferner sollte man sie ausziehen können, ohne sich ins Gesicht fassen zu müssen – ansonsten steigt das Risiko wieder. Der richtige Umgang mit Masken ist den meisten Normalos in der Schweiz nicht geläufig, da wir im Gegensatz zu den asiatischen Ländern, kaum Erfahrung damit haben.

Eine weitere Gefahr im Tragen einer Maske ist die, dass die Menschen sich in falscher Sicherheit wiegen, sich also weniger konsequent die Hände waschen und den Abstand nicht mehr einhalten. Denn eine Maske vermittelt vielleicht allzu schnell das Gefühl: Jetzt kann mir nichts mehr passieren. Es ist aus meiner Sicht daher schon ein wenig fahrlässig, den Leuten zu vermitteln, dass mit einer Maske alles wieder wie früher sein könnte. Und auch mit Maske: Der Coiffeur muss weiterhin nahe an seine Kundschaft, genau wie die Masseurin.

Auch das mit dem Isolieren von Risikogruppen, könnte schwierig werden. Zum einen könnte man von Diskriminierung sprechen, wenn einem Bevölkerungsteil der Zuritt zum öffentlichen Leben verwehrt bleibt. Zum anderen gibt es hier gewisse Grauzonen. Was ist zum Beispiel mit den Menschen, die zwar selber zu keiner Risikogruppe zählen, aber mit einer zusammenleben? Und auch innerhalb der Risikogruppen ist nicht jeder gleich gefährdet. Was ist mit denjenigen, die nur leichtes Asthma haben?

Was den Grenzschutz betrifft: Der wird vermutlich in der nächsten Zeit nicht gelockert. Da inzwischen fast in ganz Europa verschärfte Einreiseregeln herrschen, erledigt sich das quasi von selbst. So lange die Ansteckungen im Inland und bei unseren nächsten Nachbarn zunehmen, wird wohl kaum jemand auf die Idee kommen, die Grenzen wieder zu öffnen.

So sehr man die Forderungen der SVP aus rein wirtschaftlicher Sicht nachvollziehen kann: Sie kommen zu früh. Niemand von uns kann sagen, wie es am 19. April in der Schweiz aussieht. Schon jetzt auf dieses Datum zu drängen ist unklug, denn das Virus hält sich kaum an einen Terminkalender. Es kann sein, dass das Schlimmste dann überstanden ist. Es kann genauso gut sein, dass wir dann mittendrin stecken.

Die Forderungen kommen nicht nur zu früh, sie sind auch gefährlich. Die Behörden blicken sorgenvoll auf Ostern. Sie fürchten, dass die Schweizer – und Schweizerinnen die Situation bereits dann wieder auf die leichte Schulter nehmen und sich infolgedessen nicht mehr an die Vorschriften halten. Spontane Wochenendausflüge, Treffen mit Freunden, eine kleine Spritztour ins Tessin…das könnte zu einer neuen Infektionswelle führen. Deshalb ist es keine gute Idee, den Menschen zu suggerieren, es sei quasi schon vorbei.

Es mutet zudem seltsam an, dass die SVP, die sich letzte Woche gegen eine erneute Einberufung des Parlaments gesträubt hat, weil sie das gesundheitliche Risiko als zu gross einschätzten, von anderen Menschen verlangt, ihre Arbeit möglichst schnell wieder aufzunehmen, trotz der Gefahr, sich zu infizieren. Wer mit der Gesundheit der Menschen spekuliert, muss sich fragen, ob er der Bezeichnung „Volkspartei“ noch gerecht wird. Die wirtschaftlichen Schäden wird man beheben können.

Ein Mensch, der aufgehört hat zu atmen, wird nicht wieder auferstehen.

 (Und zuletzt sei noch eine Bemerkung erlaubt: Wenn die SVP von den Behörden verlangt, sie sollen genügend Schutzmaterial und Beatmungsgeräte zur Verfügung stellen, ist das sicher eine legitime Forderung. Allerdings möchte ich hier schon ganz sanft daran erinnern, wer gerade im Kanton Bern so scharf darauf war, alles im Gesundheitswesen weg zu sparen, was nicht bei Drei auf dem Baum war. Das war nämlich die SVP.)

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