Ich bin eins mit dem Universum! Naja, fast!

Yoga ist eine fantastische Idee - wenn man es denn kann. Ein Erfahrungsbericht.

By Fräulein Lama

Ich finde Yoga super. Wirklich. Jedes Mal, wenn ich Bilder sehe, auf denen eine strahlende Yogini auf ihrer Matte sitzt, ihr Bein in die Höhe streckt und dabei so glücklich aussieht, als hätte sie gerade den Joint ihres Lebens geraucht, denke ich: Das will ich auch machen. Jedes Mal, wenn ich  auf Bilder eines Yogatypen stosse, der gerade im Himalaya Gebirge rumturnt, ruft meine Seele: Jaaahhh! Und immer, wenn ich meine super gelenkige Freundin treffe, die mir von ihren Yogastunden vorschwärmt, nehme ich mir vor: Jetzt fange ich damit an! Denn Yoga hilft bekanntlich bei allem. Bei Verdauungsproblemen, Menstruationsbeschwerden, Liebeskummer, Stress, Angststörungen, juckendem Hintern oder laufender Nase. Nebenbei betätigt man sich sportlich. Und man wird biegsam (meiner Meinung nach eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit, denn schliesslich kann es jedem von uns mal passieren, dass er in einem Badezimmer eingesperrt wird und er sich mühsam durch das Fenster quetschen muss, um wieder rauszukommen).

Das Problem ist nur, dass ich kaum etwas aus so tiefster Seele verabscheue wie Sportkurse. Ich finde nicht, dass mir andere Menschen zusehen müssen, wie ich schwitze. Oder wie ich gerade spektakulär daran scheitere, einen Handstand zu machen. Oder wie sich mein Schnürsenkel gerade um die Pedale eines Laufrades wickelt und ich deswegen höchst unelegant vom Sattel rutsche.

Zum Glück gibt es aber ja Youtube! Dank dieser Plattform kannst du alles bequem zuhause lernen – egal ob es nun um den perfekten Einbruch oder die Zubereitung des perfekten Müslis geht: Youtube kann dir alles beibringen (beziehungsweise natürlich die netten Menschen, die Videos von sich drehen und ins Netz stellen, damit sie andere, weniger begabte Menschen wie mich erhellen können). Und Yogavideos gibt es schliesslich wie Sand am Meer.

Also beschloss ich eines schönen Tages, es zu versuchen. Was einfältige Influencer können, das kann ich mit meinem überragenden Intellekt schliesslich auch, sagte ich mir, kaufte eine Yogamatte und schleppte sie nachhause. Zur Vorbereitung blätterte ich noch einige Yogabücher durch (also, ich sah mir die Bilder an und befand, dass das jetzt nicht so schwierig aussieht), dann setzte ich mich vor den Computer und klickte ein inspirierendes Yogavideo an, dessen Titel etwas von „leichtem Yoga – Training für Anfänger“ erzählte. Perfekt für mich, also stellte ich mich erwartungsvoll auf die Matte und sah gebannt auf den Bildschirm, wo eine fanatisch lächelnde Frau in einem knallengen Sport – BH und mit wippenden Pferdeschwanz, mir erzählte, es sei schön, mich zu sehen. So weit so gut.

Die Lektion begann damit, dass ich mich in den Schneidesitz begeben sollte. Kein Problem, dachte ich mir, liess mich mehr oder weniger graziös auf die Matte plumpsen und verschränkte die Beine. Nur, sah es bei der Dame im Video ganz anders aus. Die hatte ihre Füsse irgendwo nicht auf der Matte, sondern auf ihren Oberschenkeln. Also zerrte ich entschlossen an meinen eigenen Füssen, bis diese exakt so lagen, wie bei der Dame. Die fing jetzt an, über die Atmung zu referieren. Ich solle tief ein – und dann wieder ausatmen, riet sie mir mit melodiös – aufgeräumter Stimme, und  solle dabei die Augen schliessen.

Ich begann also mit geschlossenen Augen „bewusst zu atmen“. Leider konnte ich mich allerdings kaum konzentrieren, weil meine Füsse anfingen gegen ihre ungewohnte Haltung zu protestieren. Sie begannen erst zu kribbeln, als steckten sie in einer Horde Ameisen und fingen dann auch noch an zu krampfen. Ich versuchte es zu ignorieren und atmete weiter, wobei ich mich aber keineswegs wie eine Yogini fühlte, sondern wie eine gebärende Frau, die gerade versuchte, ihr Kind aus sich zu pressen, denn inzwischen taten mir nicht nur die Füsse weh, sondern auch noch der Rücken. Das wird schon, redete ich mir ein, wenn die Übungen erst richtig anfangen, stellt sich dieser innere Frieden, den ich hier suche schon noch ein.

Es wurde nur leider nicht besser, sondern schlimmer. Nachdem wir endlich genug geatmet hatten, begann die Yoga – Frau irgendwelches Fachchinesisch zu reden. Ich solle jetzt die Kobra machen, befahl sie mir. Ich tat wie mir geheissen, legte mich auf den Bauch, hob den Kopf und begann zu zischen. Das machte sie im Video zwar nicht, aber ich dachte, es könne nicht schaden, das Ganze so naturnah wie möglich zu gestalten. Von der Kobra sollte ich dann hinübergehen in den „herabschauenden Hund“. Ich hob also den Hintern, bellte vor mich hin und versuchte die Fussflächen gegen den Boden zu pressen. Ging nicht. Ich sah nicht aus wie ein „herabschauender Hund“. Ich sah eher aus wie eine kotzende Kuh. Und auch der „Katzenbuckel“ lief nicht besonders gut. Obwohl ich fleissig miaute, wollte es mir einfach nicht gelingen, meine Wirbelsäule so durch zu beugen, wie es verlangt wurde.

Schliesslich hatten wir den ganzen Zoo durch und wandten uns den „etwas sportlicheren Übungen“ zu, wie das  Yogagirl sie nannte. Ich sollte also eine Seitplanke machen. Mühsam stütze ich mich also auf einer Hand ab und versuche das eine Bein auszustrecken, während ich das andere anwinkle. Da meine Arme ungefähr den Umfang eines Streichholzes und auch dessen Stabilität haben, begann ich in dieser Pose unkontrolliert zu zittern. Nachdem ich ungefähr eine Sekunde in dieser Position verharrt hatte, krachte ich zusammen und weil unglücklicherweise mein Kater vor ein paar Sekunden beschlossen hatte, mir auf der Matte Gesellschaft zu Gesellschaft leisten, drückte ich ihn auch noch gleich platt. Statt „tiefe Einblicke in mein Seelenleben“ blieben  mir von dieser Übung lediglich ein paar Kratzer.

Meine Youtubetrainierin war aber offenbar der Ansicht, dass ich noch nicht genug lädiert sei. Geradezu erbarmungslos begann sie immer wahnwitzigere Übungen, bog ihren Rücken, ihre Beine und ihre Arme, als seien all ihre Glieder aus Gummi. Ich versuchte tapfer weiter mitzumachen, hob die Arme, streckte die Beine und spannte abwechselnd Po – und Bauchmuskeln an – alles sah nicht halb so geschmeidig aus, wie bei Yogagirl. Als sie am Ende in einen eleganten Spagat sank und ihr Bein anwinkelte, tat ich es ihr automatisch gleich, mit dem Resultat, dass auf halber Strecke stecken blieb und weder vor – noch zurück konnte. Also stand ich notgedrungen mit weit gespreizten Beinen da. Um mich aus dieser wenig schmeichelhaften Position zu befreien, krabbelte ich mit den Händen nach vorne. Dabei schoss ein höllischer Schmerz durch mein Steissbein. Mit einem erstickten Schrei auf den Lippen, kippte ich zur Seite und endete schliesslich mit von mir gestreckten Gliedern neben der Yogamatte auf dem kalten Fussboden. Ächzend robbte ich zurück zur Matte, wo ich mich mit letzter Kraft zum „betenden“ Kind zusammenrolle.

Am Ende dieser Yogastunde fühlte ich mich nicht entspannt. Ich fühlte mich auch nicht eins mit dem Universum. Ich fühlte mich wie eine Heuschrecke, die man zertreten und anschliessend im Rasenmäher in viele kleine Stücke zerhackt hatte. Mit dem Schweiss, der mir aus allen Poren drang, hätte man problemlos ein ganzes Hallenbad füllen können. Ausserdem protestierte mein Körper lautstark gegen diese ungewohnt scharfe Behandlung meinerseits, weshalb ich noch eine Woche später unter Muskelkater litt und kaum sitzen konnte. Ich schwor mir: Nie mehr Yoga!

Nur, wäre es eben schon gut. Für Körper und Seele. Wie es der Zufall will, hat die super gelenkige Freundin inzwischen eine Ausbildung zur Yogalehrerin absolviert. Die Gelegenheit es doch noch zu lernen. Corona verhindert jetzt natürlich solche Privatlektionen, aber sobald das Leben wieder normal läuft, wird’s vielleicht doch noch was mit mir und dem Universum.

Und bis dahin mache ich Yoga im Bett. Das ist so einfach, dass es auch Bewegungslegasthenikerinnen wie ich, zustande  bringe. Und einen Sport – BH muss ich dafür auch nicht anziehen.

Ich, mein Kater und die Yogapose

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
CAPTCHA
1 + 17 =
Bitte diese einfache mathematische Aufgabe lösen und das Ergebnis eingeben. Zum Beispiel, für die Aufgabe 1+3 eine 4 eingeben.
Diese Frage dient dazu, sicherzustellen, dass das Formular von einem Menschen und nicht durch einen automatischen Spamvskript ausgefüllt wird.