Homeschooling im Affenhaus
Bleiben Sie daheim, Abstand halten, keine Menschenansammlungen. Uns wird seit Wochen Verzicht zugemutet. Der Schwatz an der Ecke, das Treffen in der Kaffeebar, die Shoping-Tour, Besuche bei Freunden, das Training im Sportclub, der Jass in der Beiz und ganz viel mehr sind im Moment nicht möglich. Gar manches, das zu Beschäftigung, Zerstreuung und Unterhaltung beiträgt, ist abgesagt, verboten oder nur noch online verfügbar. Wenn wir die Massnahmen auch verstehen, so werden sie nach mehreren Wochen doch zunehmend belastend. Zur Zeit werden uns von verschiedensten Anbietern Inhalte und Ideen zur Bereicherung des Alltags empfohlen. Fitnessprogramme für Körper und Geist, Kochrezepte, Bastelanleitungen, Tutorials, Webinars, Konzerte, Theater, Lesungen, Filme usw..
Aufgefallen ist mir eine Meldung aus dem Zoo Zürich. Die uns biologisch so nahestehenden Menschenaffen scheint die plötzliche Ruhe in ihrem Tiergarten-Alltag auch zu irritieren. Nach dem behördlich angeordneten Lockdown mussten auch die Zoos ihre Tore schliessen. Für viele Tiere mag die plötzliche Ruhe durchaus willkommen sein. Nun scheinen aber unsere nächsten Verwandten die ihnen so ähnlichen Besucher auf der andern Seite der Scheibe durchaus zu vermissen. Es fehlt ihnen die bis anhin gewohnte tägliche Unterhaltung durch die Besuchenden. Und da sie selber gerne unterhalten, fehlt den Affen jetzt auch das Publikum. Das Zoopersonal hat dies erkannt und ist bemüht, den Gorillas, Schimpansen, Orang Utan u. Co. mit kleinen Aufgabenstellungen körperliche aber auch geistige Aufgaben zu stellen und so den Alltag abwechslungsreicher zu gestalten. Gegenüber Radio SRF 1 äusserte der Zürcher Zoodirektor Alex Rübel die Vermutung, dass die etwas reizarme Zeit, gewisse Spannungen in der Affen-Kommune aufbauen lässt und dass dadurch vermehrt Konflikte ausgelöst werden können. So bekommen die Menschenaffen in dem Corona bedingt ungewohnt menschenleeren Zoo eine Form von Homeschooling.
Wie geht das im Affenhaus? Die Tierpfleger/innen beschäftigen die Affen, indem ihnen der Zugang zum Futter erschwert wird. Dieses wird z. B. in Pakete oder Spielsachen versteckt. Die Tiere sind dann mit dem Öffnen der Verpackungen eine Weile beschäftigt. Oder es gibt Spiele. Dabei gilt es, mit einer Rute ein Nüsschen auf eine Spickvorrichtung zu schieben. Die Aufgabe ist schwierig, braucht Geduld und Geschicklichkeit. Gelingt sie, wird die kulinarische Belohnung herausgespickt. Wie beim Menschen sind Tagestruktur, Herausforderungen, Beschäftigung und Unterhaltung auch beim Zootier ganz wichtig für das physische und psychische Wohlbefinden. „Was unterscheidet d Mönsche vom Schimpans, s isch nie di glatte Hut, dr fählend Schwanz.“ Diese Frage stellte auch Mani Matter in einem legendären Chanson. Es sind wohl nicht nur "d Hemmige“. Nun, es bleibt zu hoffen, dass die Affenbande im Zoo schon bald wieder Besuch von den ihnen doch so ähnlichen Menschen erhalten wird. Dann gibt es hüben wie drüben wieder Grund zum Beobachten, Staunen, Bewundern, Nachahmen und eben immer wieder zur Unterhaltung.
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