Das Monster im Weiher: Teil 4

By Fräulein Lama

Teil 4

In dem Basil ein strategischer Fehler unterläuft

Ekaterina hatte von dem Moment an  richtig schlechte Laune, als sie mit ihren Lieblingswildlederstiefeln im Morast versank. Sie stiess einen russischen Fluch aus, was ihr einen tadelnden Schulterblick von Basil einbrachte. „Nicht so laut! Sonst hört man uns noch!“, zischte er.

„Wer soll uns hören? Das Seemonster?“, fragte Ekaterina giftig.

„Unsere Schätzjägerin. Und nenn es nicht Seemonster. Es lebt schliesslich nicht in einem See, sondern in einem Weiher, also ist es genau genommen ein Weihermonster“, belehrte Basil sie. Er hatte geradezu unverschämt gute Laune, gemessen an der Tatsache, dass sie seit Stunden diesen Weiher umschlichen wie Katzen die Milch und darauf warteten, dass entweder das ominöse Monster oder Leonie Mahler auftauchte.

Gerade wollte sie ihn darauf hinweisen, dass es ja überhaupt nicht gesagt war, dass die Tatverdächtige heute Nacht hier auftauchte und sie deshalb wohlmöglich völlig für nichts und wieder nichts auf ihrem Schönheitsschlaf verzichtete, als Basil abrupt stehen blieb. „Hörst du das auch?“, fragte er.

„Was? Dein Schnaufen? Du sollest echt mehr Sport machen, deine Lunge hört sich gar nicht gut an, mein Lieber!“

„Erstens: Meine Lunge funktioniert tadellos. Zweitens: Ich mache durchaus Sport, ich ziehe es nur vor, dass du mir nicht dabei zusiehst und drittens: Halt endlich mal den Schnabel, dann hörst du was ich meine!“

Beleidigt klappte Ekaterina den Mund zu und lauschte in die Dunkelheit. Da war nichts. Nur der Nachtwind, der säuselnd durch das Schilf streifte, das Zirpen der Grillen und das Rascheln…Moment, von wo kam dieses Rascheln? Sie wechselte einen stummen Blick mit Basil, das reichte zur Verständigung. Sofort gingen sie hinter einem besonders üppigen Busch in Deckung und belauerten den Weiher. Hübsch sah er ja aus. Still und friedlich lag er da, ein glänzendes Tor in eine andere Welt.

Aber etwas näherte sich. Es war nicht nur das Rascheln, es kam Ekaterina auch vor, als hätte sich die ganze Atmosphäre verändert. Da draussen lauerte etwas. Ihre feinen Nackenhaare stellten sich auf. All ihre Instinkte schlugen Alarm. Zugleich legte sich eine grosse Ruhe über sie, wie immer, wenn es brenzlig wurde. Unwillkürlich strich sie mit dem Finger über die Klinge, die sie an ihren Oberschenkel geschnallt hatte. Sollte das Monster wider Erwarten tatsächlich echt sein, würde sie sich zumindest wehren können.

Da! Ein Gluckern! War das ein Stein, der ins Wasser geplumpst war? Oder war es…Ekaterina hielt den Atem an. Am gegenüberliegenden Ufer teilte sich. Ein langgezogener Schatten…ein Baumstamm? Nein, das war kein Baumstamm. Das, was sich gemächlich den Weg durch das Wasser bahnte war tatsächlich ein Seemonster. Oder ein Weihermonster. Auf jeden Fall war es beeindruckend mit seinem gezackten Rücken und der riesigen Schnauze, die sich jetzt öffnete und scharfe Zähne entblösste. Und die Augen waren tatsächlich gruselig, feurig und glühend. Kein Wunder hatte sich die arme Spaziergängerin so erschrocken.

Basil stiess zischend die Luft aus. „Das sieht aus, wie dieses Krokodil aus Peter Pan. Nur das es nicht tickt“, flüsterte er, ohne den Blick von diesem Wesen zu wenden. Er wirkte nicht im Mindesten ängstlich, sondern eher freudig erregt.

„Tickt?“, wiederholte Ekaterina irritiert, „warum soll ein Krokodil denn ticken?“

„Na, das Krokodil im Nimmerland hat doch den Wecker von Hook zusammen mit dessen Hand verschluckt und deshalb tickt es. Und dieses Ding, was da auf uns zu schwimmt, sieht genauso aus wie das Krokodil aus dem Disney – Film“, erklärte Basil mit gedämpfter Stimme.

„Ich bin entsetzt!“

„Sag bloss, du hast Angst vor einem Krokodil!“

„Ich bin nicht wegen dem Krokodil entsetzt, sondern über die Tatsache, dass du dir tatsächlich Disney – Filme reinziehst!“

Basil seufzte. „Meine liebe Ekaterina, ich weiss, es ist schwer sich das vorzustellen, aber auch ich bin nicht in meiner ganzen jetzigen Pracht zur Welt gekommen, sondern war einmal ein Kind. Wobei ich schon damals über einen überdurchschnittlichen Intellekt verfügte, wie ich betonen möchte.“

Ekaterina sah wieder zum Untier, das inzwischen gemütlich seine Runden auf dem Weiher drehte, als sei es ein Schwan und nicht ein meterlanges Monster. „Für mich sieht es eigentlich nicht aus wie ein Krokodil. Eher wie ein Drache“, merkte sie an. Zumindest, wenn man die Augen betrachtete, die bei genauerem Hinsehen allerdings irgendwie leblos wirkten.

„Seit wann schwimmen Drachen denn bitteschön?“

„Es gibt auch Wasserdrachen!“, trumpfte Ekaterina auf.

Basil rammte ihr ärgerlich den Ellbogen in die Rippen. „Es gibt überhaupt KEINE Drachen und das da auf dem Wasser ist weder ein Drache noch ein Krokodil. Wenn du nämlich genau hinhören würdest, statt mir ständig zu widersprechen, würdest du hören, dass dieses Teil da“, er deutete mit dem Finger auf das Wesen, „von einem Motor angetrieben wird!“

Ekaterina hätte gerne widersprochen, musste aber einsehen, dass Basils überentwickelte Sinne ihn auch dieses Mal nicht in Stich liessen. Das feine Surren deutete wirklich auf einen Motor hin. Und je länger Ekaterina den Krokodildrachen betrachtete, desto weniger beeindruckend sah es aus. Ein aus Plastik geschaffenes Monster, angetrieben von einem Motor. Ekaterina war fast ein wenig enttäuscht. Ein echtes Fabelwesen wäre um einiges interessanter gewesen, als diese zweitklassige Fälschung.

„Und was machen wir jetzt? Soll ich es zerstören?“ Ihre Hand zuckte wieder zu ihrem Messer. Sie spürte das Adrenalin im ganzen Körper. Ihr letzter Einsatz war schon viel zu lange her. Das, was Basil und sie am meisten verband, war ihre gemeinsame unbändige Lust auf Abenteuer.

„Nein, sollst du nicht! Sonst verrätst du den Schatzjägern nur unsere Anwesenheit“, zischelte Basil.

„Die sind doch noch gar nicht da“, wandte Ekaterina ein.

„Natürlich sind sie da, sonst würde das Monster hier ja nicht gerade seine Schwimmrunden drehen. Wir haben sie lediglich noch nicht bemerkt, deshalb trennen wir uns jetzt. Du gehst nach rechts und ich nach links. Wenn du unsere Hobbyarchäologen triffst, ahmst du den Schrei eines Waldkauzes nach!“

„Woher soll ich denn wissen, wie der Schrei eines Waldkauzes geht?“, maulte Ekaterina.

Basil stöhnte entnervt. „Wenn du etwas mehr mit Ornithologie und etwas weniger mit diesen asiatischen Kampfkünsten beschäftigen würdest, wüsstest du es jetzt. Pfeif halt einfach, wenn du sie triffst.“ Und schon war er im Dunkel der Nacht verschwunden.

Ekaterina war keineswegs überzeugt von diesem Plan. Sie hätte es vorgezogen, zuerst klar zu lokalisieren, wo die Schatzgräber sind. Mit Basils scharfen Gehör wäre das schliesslich möglich gewesen, aber nein: Der Herr konnte sich mal wieder nicht gedulden und musste unbedingt Winnetou spielen!

Innerlich über den Eigensinn ihres Chefs schimpfend, verliess Ekaterina also ihr Versteck und schlich in die angewiesene Richtung, wobei sie immer wieder innehielt, um auf etwaige Schritte zu horchen. Einmal glaubte sie einen huschenden Schatten zu bemerken und duckte sich sofort hinter Schilf. Doch es war nur eine Täuschung gewesen. Danach erschreckte sie sich fast zu Tode wegen einem quakenden Frosch. Dieser Weiher hatte einen ungesunden Einfluss auf ihre Nerven, so viel stand fest.

Und dann zerschnitt der Pfiff die nächtliche Stille.

Sofort schaltete Ekaterina in den Angriffsmodus und spurtete los. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Das war ihr Ding! Nicht stundenlanges Rumhocken und warten, sondern Action pur. Sie würde diese Schatzjäger in die Knie zwingen, sie windelweich prügeln, ihnen ihre Beute abnehmen und dann…

Ein entsetzlicher Schrei zerriss Ekaterinas Gedankengang.

Das Blut gefror ihr in den Adern.

Sie kannte diese Stimme. Sie hätte sie unter tausenden wieder erkannt.

Basil.

Und wenn er so schrie, musste er in grossen Schwierigkeiten stecken

***

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