Felsen in der Brandung

Auch in diesen Zeiten finden wir Leuchttürme, an denen wir uns orientieren können

By Fräulein Lama

Seit drei Wochen sitze ich jetzt – abgesehen von Spaziergängen und kurzen Abstechern ins Dorf – zuhause. Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich habe mich inzwischen fast ein wenig an diese Coronazeit und die damit verbundenen Unsicherheiten gewöhnt. Dennoch habe ich immer wieder Momente, in denen ich mit Ängsten zu kämpfen habe, mich frage, ob es je wieder Normalität geben wird und in eine Weltuntergangsstimmung verfalle. Das ist normal. Wichtig ist, dass man wieder aus diesem Labyrinth herausfindet und sich in diesen stürmischen Zeiten Felsen in der Brandung sucht, also seine Gedanken auf etwas richtet, was einem ein bisschen Sicherheit vermittelt. Diese „Felsen in der Brandung“ stelle ich euch gerne vor – vielleicht helfen sie euch ja auch ein bisschen.

Fels Nr. 1: Wir haben eine fähige Regierung

Ich persönlich finde es extrem beruhigend, wie kompetent und ruhig der Bundesrat das Land durch diese schwierige Zeit führt. Die Macht unserer Exekutive ist durch Sieben geteilt. Das kann natürlich ein Nachteil sein, weil es länger dauert Entscheidungen zu fällen und der kommunikative Aufwand gross ist. Aber, es muss niemand allein die Verantwortung schultern. Zudem laufen wir nicht in Gefahr, dass eine Einzelperson die Situation nutzt, um die Macht komplett an sich zu reissen, wie es zum Beispiel in Ungarn geschah.

Natürlich wird man das eine oder andere nach der ganzen Krise anschauen müssen. Nicht alles ist perfekt gelaufen, sicher wurden auch Fehler gemacht. und doch glaube ich, dass der Bundesrat stets nach bestem Wissen und Gewissen handelte. Er hat die Gefahr relativ früh erkannt und ein Veranstaltungsverbot erlassen, bevor es andere europäischen Staaten überhaupt darüber nachdachten. Er hat sich bemüht, die Schritte MIT der Bevölkerung zu gehen, statt sie einfach zu diktieren. Und er stellt sich regelmässigen den Journalisten – und Journalistinnen, um Antworten zu liefern. Das alles werte ich als positiv.

Wie verheerend es sein kann, wenn eine Regierung nicht oder zu spät reagiert, dass sehen wir gerade in Grossbritannien. Boris Johnson, der sich vor einigen Wochen noch damit gebrüstet hat, coronainfizierten Patienten – und Patientinnen die Hand geschüttelt zu haben, ist inzwischen selbst erkrankt. Sein Zustand ist vermutlich bedenklicher, als er die Öffentlichkeit glauben machen will, unterdessen wurde er nämlich ins Krankenhaus eingeliefert. Das britische Gesundheitssystem ist ohnehin mies, die Welle an Coronapatienten – und Patientinnen wird es kaum bewältigen können.

Der Bundesrat ist nicht so schillernd wie manches andere Staatsoberhaupt – jetzt bin ich froh, um diese nüchterne Sachlichkeit, die in der Krise besser zu funktioniert scheint, als sensationslüsterne Polterpolitik

Fels Nr. 2: Die medizinische Grundversorgung ist gewährleitstet

Natürlich, um unser Gesundheitswesen zu entlasten sollten wir nicht wegen jedem Wehwehchen gleich in die Notaufnahme rennen, aber es ist doch sehr beruhigend, dass wir immer noch auf fachliche Hilfe zählen können, wenn uns was Ernsthaftes fehlt (wir uns beispielsweise beim Heimwerken gerade den Arm abgesäbelt haben). Und auch bei psychischen Notfällen gibt es noch immer sehr viele Anlaufstellen an die wir uns wenden können.

In dieser Situation neigen wir dazu, zu denken, dass in unserem Land nichts mehr funktioniert. Das ist so nicht ganz richtig. Wir laufen zwar gerade auf Sparflamme, dennoch haben wir immer noch viele Annehmlichkeiten, die andere Menschen nicht haben. Als Gegenbeispiel: In Amerika ist das Gesundheitssystem schon im Normalfall desaströs. Dort haben viele Menschen nicht einmal eine Krankenversicherung.

Fels Nr. 3 Die Menschen helfen einander

Liest man gewisse Kommentarspalten oder Facebookeinträge könnte man meinen, die Menschen seien egoistisch, verdorben und nur auf sich selbst bezogen. Dem widerspreche ich nicht grundsätzlich. Ich persönlich mache mir keine Illusionen über mich selber, ich weiss, dass ich durchaus nicht immer nur zum Vorteil anderer handle, sondern auch mein eigenes Wohl im Blick habe.

Dennoch ist der Mensch nicht grundsätzlich schlecht und verdorben. Wir sind durchaus in der Lage aus Solidarität, Mitgefühl und Liebe zu handeln. Das beweisen all die Menschen im Gesundheitswesen, die trotz der erhöhten Infektionsgefahr für uns alles geben. Das beweisen all die Menschen, die private Initiativen starten, um jenen zu helfen, die durch die Krise empfindliche Umsatzeinbussen erleiden. Das beweisen all die Menschen, die sich überlegen, wie sie uns unterhalten können, damit uns nicht die Decke auf den Kopf fällt. Das beweisen auch all jene, die sich jetzt einschränken und zurücknehmen, um andere und sich selbst zu schützen. Und das sind die meisten.

Jetzt konzentrieren wir uns leider sehr oft auf die Minderheit, die es nicht tut. So wie wir uns beim Blick in den Spiegel über den kleinen Pickel am Kinn ärgern, statt uns über den pickelfreien Rest des Gesichts zu freien. Es hilft weder der Gesellschaft noch unserer Psyche, wenn wir den ganzen Tag am Fenster kleben und uns über Menschengruppen ärgern.

Lasst das mit dem Bespitzeln! Es ist selbst in dieser Krise nicht in Ordnung, Menschen ohne ihr Wissen abzufotografieren und dann im Internet an den Pranger zu stehlen. Zudem ist nicht alles so, wie es scheint. Vielleicht arbeitet die junge Frau, die auf den ÖV eilt, im Gesundheitswesen. Vielleicht dreht die alte Dame mit dem Rollator lediglich eine Runde um den Block. Und vielleicht handelt es sich bei der Menschengruppe auf der Wiese um eine Familie, die ohnehin zusammen lebt.

Gerade jetzt ist es wichtig, auch mal das Gute im Menschen zu sehen. Statt immer das Schlechteste von ihnen anzunehmen.

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