Wem soll man glauben?

Gedanken zum Umgang mit Fakten

By Christoph Salm

 

Wir leben unbestritten in einer aussergewöhnlichen Zeit. Sie erlaubte unserer Landesregierung die ausserordentliche Lage auszurufen. Mit der  Verordnung des Lockdowns wurden massive Einschränkungen der persönlichen Freiheit aller BürgerInnen und schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen in Kauf genommen. Der Bundesrat übernahm, gestützt auf das Epidemiengesetz vom 3.12.2010, entschieden die Führung in der aktuellen Corona-Krise. In dieser anspruchsvollen Situation ist das Regierungskollegium auf die Mitarbeit vieler Fachleute angewiesen. Seit dem 31. März 2020 besteht die Swiss National COVID-19 Science Task Force des Bundes. Sie steht unter der Leitung von Matthias Egger, Professor am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern. Als Forschungsrats-präsident des Schweizerischen Nationalfonds ist er am Puls der wissenschaftlichen Forschung. Das vom Berner Epidemiologen geleitete Beratergremium besteht aus 10 Expertengruppen mit Vertretungen aus Medizin, Biologie, Ökonomie, Ethik, Recht und Gesellschaft. Mit dieser multidisziplinären Basis fällt die Landesregierung, zusammen mit den Fachleuten der verschiedenen Departemente, ihre Entscheide. Dabei müssen neben den wissenschaftlichen auch die politischen Aspekte einbezogen werden. Die geeigneten Massnahmen werden dann verordnet und von den zuständigen Stellen umgesetzt. Da wir uns in einem dynamischen Prozess befinden, sind immer wieder Anpassungen vorzunehmen. Die entschiedene Führungsarbeit des Bundesrates erhielt v.a. in der Anfangsphase viel Lob. Es war gewiss nicht anders zu erwarten; mit der Dauer der Krise wird die Kritik an der Landesregierung lauter. Auch die Parteien sind wieder erwacht. Das Parlament trifft sich in den nächsten Tagen zu einer Sondersession. Dies ist gut so. Lebhafter Diskurs, konstruktiver Streit und lauter werdende Diskussionsrunden sind notwendig und ein Beitrag zur Lösung der Probleme.

Zunehmend Mühe habe ich mit der unkritischen Verbreitung unzähliger sog. Expertenmeinungen in den Sozialen Medien. Früher hiess es „Papier nimmt alles an“. Gemeint war die rasche Verbreitung schlecht recherchierter Meldungen in den Printmedien. Heute bietet das Internet einen weltumspannenden Boden für die Verbreitung von Informationen. Jede x-beliebige Expertenmeinung kann so mit minimalem Aufwand und ohne redaktionelle Kontrolle auf eine Internetplattform gehieft und „urbi et orbi“ geteilt werden. Vermutlich werden gewisse Elaborate vor dem Entsenden in den virtuellen Raum gar nicht gelesen resp. angehört. Ein reisserischer Titel reicht wohl in vielen Fällen.  Der UNO-Generalsekretär Antonio  Guterres fordert „……mehr zu tun, um Hass und schädliche Behauptungen über COVID-19 zu beseitigen“. Fakenews, Halbwissen und Verschwörungstheorien haben gerade in Krisenzeiten fruchtbaren Boden und werden oft politisch missbraucht. Ich bin der Meinung, dass NutzerInnen der Sozialen Medien wie Facebook, Instagram, Twitter und Co. zumindest moralische Verantwortung tragen, wenn sie Desinformation unkritisch oder gar wissentlich  weiterverbreiten und viral gehen lassen.  Dies führt wahrlich zu einer „Infodemie von Fakenews“ oder anders formuliert zu geistiger Umweltverschmutzung. Im Moment einer Pandemie ist das ethisch und oekonomisch schädlich und deshalb zu verurteilen.

Es ist schwierig aus der Flut von Informationen, die wesentlichen und ernstzunehmenden Erkenntnisse herauszufiltern und zu werten. Nur wenige haben das Fachwissen, die Streu vom Weizen zu trennen. Ich bin der Meinung, dass wir dem Wissensstandort Schweiz vertrauen sollten. Wir haben hervorragende Bildungsinstitutionen und wissenschaftliche Gremien, die die Faktenlage z. B. zu Corona beurteilen können. Es empfiehlt sich, Wissenschaftlern zu folgen, die auch aktiv forschen, international vernetzt sind und somit gut im Stoff stehen. Wer seit Jahren nicht mehr zu einem Thema publiziert hat, ist wohl als Fachexperte in den Beratergremien weniger geeignet. Seriöse Wissenschaftler zeigen durchaus auch Unsicherheiten und sind fähig, Meinungen abhängig von der Datenlage zu ändern. Die etablierte Wissenschaft ist heute gefragt. Unsere demokratische Staatsform, die funktionierenden Institutionen und die freie Presse werden verhindern, dass wir unter dem Diktat von Technokraten/innen weiterleben werden.

 

 

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