Warum die Spanische Weinhalle "James" heisst

Eine Erfolgs-Geschichte von Migration in früherer Zeit

By Daniel Baertschi

Als ich in den frühen Achtzigern als Banklehrling zum ersten Mal in der Spanischen Weinhalle einkehrte, lehrte ich schnell, dass man dieser tollen Kneipe "James" sagen musste, wollte man in Langenthal verstanden werden und dazugehören. Für mich war auch klar warum: der damalige Wirt Ruedi Kräuchi (wobei gewirtet hat seine Ehefrau) glich dem Bandleader James Last aufs Haar. Es brauchte einige Jahre bis ich dann herausgefunden habe, warum die Spanische wirklich "James" heisst. 

Die Vorgeschichte ist auch eine Erfolgsgeschichte der Migration von tüchtigen Katalanen in die Schweiz. Es waren Angehörige der Familie Monner, welche die Spanische Weinhalle im Jahr 1879 als eines der ersten solchen Lokale der Schweiz gründeten. Der berühmteste von ihnen, José Monner wirtete von 1887 bis 1913 und von 1920 bis zu seinem Tode 1922 (in der Zeit von 1913 bis 1920 verpachtete er es der Familie Casanovas, weil er in der spanischen Armee gebraucht wurde). José Monner begründete neben der Wirtschaft in den Räumen der heutigen Bar 55 auch einen florierenden Wein- und Liqueurhandel mit spanischen Produkten. Sein Sohn führte das Restaurant weiter bis 1940. 

Dann übernahm der legendäre Jaime Romagosa mit seiner Frau Hedwig die Geschicke und führte die Spanische, bis 1974 eben die besagten Kräuchis übernahmen. Und Jaime Romagosa, der ein grosser Sportsfan war und am Sonntag immer als erster die Resultate des Schweizer Fussballs an seinem privaten Totomat veröffentlichte, wurde eben von seinen Gästen "James" genannt. Und so wurde er durch den Spitznamen der Kneipe unsterblich. Es gab früher übrigens gewisse Wirte, welche gerne im öffentlichen Steuerregister die Steuerzahlen ihrer Mitbewerber nachschauten. Und so wurde gemunkelt, dass Jaime Romagosa von allen Wirten in Langenthal am meisten Steuern zahlte (...). Seinen wohlverdienten Lebensabend verbrachte Jaime Romagosa mit seiner Schweizer Ehefrau in seinem Haus am Brienzersee.

Das "James" ist somit Zeugnis einer erfolgreichen Integration von katalanischen Einwanderern in die Schweiz und in seiner Art ein echtes Kulturgut, zu dem Sorge getragen werden sollte. Leider ist die Geschichte den heutigen spanischen Mitbewohnern kaum bekannt, so dass diese lieber das Centro Espanol am Wuhrplatz besuchen, wo auch alle anderen Einwohner von Langenthal herzlich willkommen sind. Jedem, der das James noch nie besucht hat, rate ich, es zu tun, solange es diesen Ort noch gibt. Die jetzige Zeit macht deutlich, dass nichts für immer währt.

Quelle: Walter Pfenninger "Langenthaler Gaststätten einst und jetzt" von 1980

 

 

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